Dominique Döttling, Bundesvorsitzende der Wirtschaftsjunioren Deutschland im Jahre 2002, wählte Werte - Wissen - Wandel zum Jahresthema. Diese drei Begriffe sind seither die thematische Klammer der Arbeit des größten deutschen Verbandes junger Unternehmer und Führungskräfte. Hier die Grundsatzrede zum Motto, gehalten in Saarbrücken im Januar 2002
Es gilt das gesprochene Wort.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
liebe Wirtschaftsjuniorinnen und Wirtschaftsjunioren,
Werte, Wissen, Wandel ist das Motto, unter dem die Arbeit und das Engagement der Wirtschaftsjunioren Deutschland in diesem Jahr steht. Dass ich mit der Wahl dieses Themas vielen Junioren unseres Verbandes aus dem Herzen gesprochen habe, zeigt mir die große Zustimmung, die ich in den Kreisen erfahre. Viele Kreise und einige Landesverbände haben inzwischen bereits für die eigene Arbeit dieses Motto gewählt. Darüber freue ich mich sehr.
Werte, Wissen und Wandel sind zweifellos die bestimmenden Größen in der Entwicklung unserer Gesellschaft und werden es auch in der Zukunft sein. Ich werde die nächsten 20 Minuten dazu nutzen, Sie davon zu überzeugen.
Zunächst zum Thema Wandel: Das ist nicht revolutionär, das ist nicht neu. Wandel war schon bei den alten Griechen im Gespräch. Schon immer haben sich Lebensumstände, ja ganze Gesellschaften gewandelt. Ohne Wandel säßen wir noch in Höhlen und einige von uns würden vielleicht Wände bemalen. Ohne Wandel kein Fortschritt.
Aber es wird mir sicher auch niemand widersprechen, wenn ich sage: Noch nie hat sich Wandel so schnell und tiefgreifend vollzogen, wie wir es gegenwärtig beobachten und erleben. Der Wandel selbst hat sich gewandelt, seine Geschwindigkeit hat zugenommen.
Am sichtbarsten für jedermann tritt uns der Wandel in der Veränderung unserer Arbeitswelt entgegen. Die Zukunft wird Arbeitsbiografien nicht mehr kennen, die sich ein Leben lang auf ein und den selben Arbeitgeber konzentrieren. Die Menschen stehen vor immer neuen Herausforderungen. Sie müssen den Arbeitgeber wechseln, weil ihre Firma möglicherweise Arbeitskräfte freisetzen muss, oder sie gehen, weil ihnen ein anderer Betrieb bessere Arbeitsbedingungen oder mehr Geld bietet. Sogar der Beruf wird häufiger gewechselt, weil sich komplett neue Branchen und Arbeitsfelder herausbilden. Mehr und mehr finden sich Spezialisten zur Lösung spezifischer Aufgaben in immer neuen Projektteams zusammen, werden zu selbständigen flexiblen Unternehmern ihrer eigenen Arbeitskraft, die ständig die Nase im Wind halten, damit sie die für sie richtigen Entscheidungen treffen können - denn der Faktor „Unsicherheit“ wird immer größer werden. Er gehört zum Faktor Freiheit. Mobilität, Flexibilität sind da selbstverständliche Bestandteile dieser Welt. Das fordert bestimmte Qualitäten von uns, Selbständigkeit und Risikofreude, Initiative und Verantwortungsbewusstsein - aber auch von unserer gesellschaftlichen Ordnung.
Nun werden wir einmal konkret:
Was passiert, wenn ein Ingenieur aus Nordrhein-Westfalen, der vielleicht mit einer Lehrerin verheiratet ist, der ein Kind hat, das eventuell schon ins Gymnasium geht, und der möglicherweise kürzlich ein Haus geerbt hat, wenn dieser Ingenieur also kurzfristig ein interessantes Arbeitsangebot aus Bayern bekommt, und schnell umziehen muss?
Wissen ist die Schlüsselressource des 21. Jahrhunderts. Wissen und Qualifikationen entscheiden heute mehr denn je über die Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften und Unternehmen und natürlich von Arbeitnehmern. Wir brauchen also Mitarbeiter - kluge Köpfe – voller Wissen und hochqualifiziert. Unser Schulsystem bildet solche Köpfe schon lange nicht mehr aus.
Als am Ende des vergangenen Jahres die PISA-Studie veröffentlicht wurde, ging ein Aufschrei durch die Öffentlichkeit. PISA hat uns wachgerüttelt. Wirklich? Wen hat PISA erschreckt? Und wen haben die Ergebnisse wirklich überrascht?Meine Damen und Herren, sehenden Auges sind wir in diese Situation gekommen. Können wir jetzt langatmige Reform- und Einigungsprozesse abwarten? Ich denke nicht. Unser Bildungssystem hat versagt und es ist nicht abzusehen, wann es mit dem Versagen aufhört: Die Wirtschaftsjunioren Deutschland fordern daher die Abschaffung der Kultushoheit der Länder. Deutschland hat einen Markt für Wissen und der macht nicht an Ländergrenzen Halt, das Bildungssystem muss sich daran orientieren.
Das heißt:
Außerdem gibt es gute Gründe, über die Verkürzung der Schul- und Studienzeiten nachzudenken, insbesondere wenn es darum geht, junge Leute früher tätig sein, sie also wirklich „ran“ zu lassen. Darauf brennen ja die meisten. Aber ich rede hier nicht einer Verkürzung in Form einer Kompression das Wort. Ohnehin sind die Lehrpläne meist viel zu überladen. Nicht noch mehr stopfen und noch schneller vergessen, kann die Lösung sein. Wir müssen einsehen, dass man kann nicht schon vor der beruflichen Laufbahn auf alle Eventualitäten vorbereiten kann. Besser wäre es, später lieber einmal mehr als einmal weniger die Arbeit durch Bildungs- und Ausbildungsphasen zu unterbrechen. So gewährleisten wir aktuelle Lerninhalte und werden dem lebenslangen Lernen durch eine stärkere Mischung von Ausbildungs- und Arbeitsphasen gerecht.
Meine Damen und Herren,
In dem Zusammenhang WISSEN noch ein weiterer Punkt: Die Elitenförderung. Deutschland braucht leistungsorientierte Eliten, die sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sind. Jahrelang war es aber in Deutschland nicht opportun, von Hochbegabung überhaupt zu reden. Von Elitenförderung wollten vor allem diejenigen nichts wissen, die damit allgemein die Chancengleichheit bedroht sahen.
Wenn wir aber Hochbegabte nicht fördern, berauben wir uns selbst eines enormen Wissens- und Entwicklungspotenzials. Weil hochbegabte Kinder in der Schule ständig unterfordert sind, werden sie häufig verhaltensauffällig und entziehen sich dem Unterricht und landen damit eher in der Sonderschule, als dass sie eine besondere Förderung erfahren. Das größte Problem für hochbegabte Schüler sind die bisher unzureichend ausgebildeten Lehrer, Hochbegabungen überhaupt zu erkennen. Lange Zeit herrschte die Meinung vor, dass Hochbegabte von allein lernen, selbst unter widrigsten Umständen. Es ist kein Zufall, dass es in Deutschland keinen Lehrstuhl für die Didaktik Hochbegabter gibt. Auf Dauer aber wird sich Deutschland die Vernachlässigung der Hochbegabten nicht leisten können, denn Eliteförderung ist ein Wirtschaftsfaktor. Kein Land kann auf Eliten verzichten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
der Bundestagswahlkampf hat begonnen, und eines seiner Hauptthemen wird zweifellos die Arbeitsmarktpolitik sein. Ein ausgesprochen unerquickliches Thema, von großer Bedeutung. Allerhand Instrumente wurden ausprobiert, aneinander gewöhnte Verhandlungspartner versuchen diese Krise mit alten Instrumenten zu meistern. Große Fortschritte sehen wir nicht. Im Gegenteil: Alte Forderungen erhalten wieder Oberhand: Zwickel und Schulte fordern doch tatsächlich ein Ende der Bescheidenheit und streben sieben Prozent höhere Löhne und Gehälter an. Haben diese beiden Herren sich je gefragt, wer das bezahlen soll? Nehmen sie bewusst Entlassungen in Kauf, weil sie ja die Arbeitslosen nicht zu vertreten haben? Kann man dieses Handeln noch verantwortungsbewusst nennen? Und - Sitzen da nicht die falschen Leute im Bündnis für Arbeit? Mit alten Rezepten und Verhaltensweisen kann man Krisen nicht meistern.
Nur eine konsequente Deregulierung des Arbeitsmarktes kann uns weiterhelfen. Von Unternehmen und Unternehmern wird zu Recht Souveränität, Entscheidungskraft und ein erfolgreiches Agieren im Wettbewerb gefordert. Gleichzeitig wird von staatlicher Seite das Verantwortungsbewusstsein für ihre wertvollstes Ressource - die Mitarbeiter - abgesprochen. Es wird geregelt und geregelt: Teilzeitgesetz und Gesetz gegen die Scheinselbständigkeit, Kündigungsschutz und Betriebsverfassungsgesetz. Letzteres beraubt unsere Mitarbeiter zudem ihrer Mündigkeit.Das meine Damen und Herren, halte ich nicht gerade für hervorstechende Eigenschaften einer freiheitlichen Gesellschaft.
Denn Werte, nicht staatliche Eingriffsverwaltung, müssen unser Zusammenleben bestimmen. Verantwortung für sich selbst und für andere, Respekt und Toleranz, Wissen und Kreativität, Achtung und Anerkennung, Anteilnahme und Hilfsbereitschaft, Glaubwürdigkeit, Vertrauen und Offenheit, Mündigkeit, Würde und Gerechtigkeit und Solidarität machen eine Gesellschaft reich.
Ich möchte, dass die Wirtschaftsjunioren zur Speerspitze der Werteorientierung in Deutschland werden.
Das Thema Werte hat nach den entsetzlichen Terroranschlägen im September letzten Jahres eine traurige Aktualität erlangt. Wir hatten am Wochenende drauf unsere Bundeskonferenz. Im Johannisberger Appell haben wir beschlossen, eine weltweite Diskussion über zivilisationsstiftende Werte zu initiieren. Starten werden wir mit einem Bündnis für Werte. Alle Interessierten und gesellschaftlich relevanten Gruppen sind eingeladen, an unserem Bündnis für Werte mitzuwirken.
Das Miteinander funktioniert nur auf der Grundlage gelebter Werte. Und durch die voranschreitende Globalisierung wird dieses Miteinander immer konkreter für jeden Menschen auf dieser Welt. Auch wenn für einige die Globalisierung als etwas Bedrohliches vor ihrer Tür steht, sie darin die Amerikanisierung der Welt vermuten oder mit ihr einen außer Rand und Band geratenen Monopol- und Finanzkapitalismus assoziieren. Die Globalisierung lässt sich nicht aufhalten. Sie ist nicht die Folge irgendwelcher Entscheidungen einflussreicher Menschen in Politik und Wirtschaft. Globalisierung ist die Konsequenz des menschlichen Strebens nach Erkenntnis, nach wissenschaftlichtechnischem Fortschritt, aber auch unseres Wettbewerbstriebes und Nutzenorientierung.
Wir Wirtschaftsjunioren haben den großen Vorteil, dass wir der Junior Chamber International angehören. Wir haben ein weltweites Netzwerk. Mit JCI können wir den notwendigen bewussten Umgang mit Werten, die Toleranz vor den Werten anderer, im günstigsten Fall den Wertekonsens leben und die Idee des Miteinanders auf dieser Grundlage in alle Teile der Welt tragen.
Ich habe eben einige verbindende Werte aufgezählt, auch ehrenamtliches Engagement ist beispielsweise ein solcher Wert. Jeder kann für sich weitere hinzufügen. Ziel bleibt das Miteinander mündiger und eigenverantwortlicher Menschen.
Unser Bundespräsident, Johannes Rau, hat kürzlich in einem Interview gesagt: „Wer im eigenen Leben keinen Sinn findet und keine Werte, die es zu schützen lohnt, wer keine Perspektive und keine Ziele hat, dem gilt auch das Leben anderer nur wenig.“ Ich füge dem hinzu: Den müssen wir auch bemitleiden, den er verliert mit dem Sinn, Selbstachtung und Freude und leidet sicherlich selbst am meisten darunter.
Meine Damen und Herren, habe ich Sie überzeugt, dass WERTE, WISSEN und WANDEL Zukunftsthemen sind?
Was ist dann unser Part, die Verantwortung der Wirtschaftsjunioren in diesen Themen? Nun: Wir sind der führende Verband junger Unternehmer und Führungskräfte. Wir stehen in der Verantwortung innerhalb unserer Unternehmen, viele von uns haben Familie, trotzdem nehmen wir uns die Zeit, uns wirtschafts- und gesellschaftspolitisch zu engagieren. Damit gestalten wir nicht nur die Gegenwart, damit gestalten wir nicht nur die Zukunft: Wir sind die Zukunft. Und – ganz ehrlich, hier im Raum sehe ich eine schöne Zukunft. Dafür sorgen wir nämlich selbst! Und ich freue mich darüber und darauf, diesem Verband mit Werte, Wissen und Wandel zu dienen.
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